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Das Rathaus von Amelinghausen

Ein ehemaliger Halbhof mit Schankberechtigung

Wenn es Hausgeister gäbe, könnte das heutige Rathaus auf  eine interessante und wechselhafte Geschichte zurückblicken, die durch wirtschaftliche Höhen und Tiefen gekennzeichnet ist. Der ehemalige Halbhof mit einer der wohl ältesten Schankberechtigung in Amelinghausen hatte die Hausnummer 3 und geht auf eine Gründung um 1450 zurück. Kurz vor 1600 erscheint  auf dem Hof durchgängig der Familienname Studtmann. Der 75 ha große Halbhof war  Haupterwerb für die Familie und der Ausschank von Getränken und die Beherbergung  der Frachtfahrer- einschließlich der   Versorgung der Pferde  - eine zusätzliche Einnahmequelle. 
Einer von den vielen Übernachtungsgästen war ein Lückecker Kaufmann, der in der Raubkammer 1590  den Raubritter Moritz von Zahrenhusen erschossen hat. Vielleicht hatte der Gastwirt ihn auf gewisse Gefahren hingewiesen. Durch das Große Feuer vom 7. Juni 1818, das  die Hälfte der Bauernhäuser in Amelinghausen in Schutt und Asche legte, war auch das Gasthaus Studtmann betroffen.  Das  war für die Abgebrannten ein großer Schicksalsschlag. 
Trotz  vieler Spenden und dem Verzicht der Grundherren auf die jährlichen Pachtzahlungen, war der Neuaufbau der Hofstellen eine große finanzielle Last. Leider wurde das Gasthaus Studtmann nach 60 Jahren wieder ein Opfer der Flammen. Die Brandursache ist nicht überliefert. Der Neubau um 1880 ist ein gewaltiges Gebäude, das vom Baustil her nicht dem dörflichen bzw. ländlichen Charakter entspricht. 

Die Zeit nach der Gründung des Deutschen Kaiserreiches nach 1871 wird in der Wirtschaftsgeschichte als Gründerzeit bezeichnet. Durch die Industrialisierung erlangte das liberale Bürgertum einen gewissen Wohlstand, den es auch zeigen wollte. Das Mauerwerk aus roten Ziegelsteinen (gebrannt in der Ziegelei Hedder in Etzen) wirkt  monumental mit den kantigen Grundformen und hohen Fenstern und Innenräumen. Die Facade ist gegliedert und enthält eine Reihe von Schmuckelementen.  Da hier auf alte Baustile der Renaissance und  des Klassizismus  zurückgegriffen wird, spricht man vom Historismus. Der damalige Besitzer muss finanziell gut situiert gewesen sein und wollte das auch zeigen.
August Freudenthal beschreibt in seinem Buch „Heidefahrten „ von 1890 Amelinghausen als ein Dorf, das „im Schmuck seiner sauberen, lindenbeschatteten Straßen, seiner freundlichen, von Gärten umgebenen, meist mit Ziegelbedachung versehenen Häuser einen sehr wohnlichen und behäbigen Eindruck“ zeigt. Er konnte sogar nachts von seinem Zimmer aus die Nachtigall singen hören. Dieses Naturerlebnis würde ich heutedem Bürgermeister und seinem Personal auch gönnen!
Nach 1900 war Otto Studtmann Besitzer der Gastwirtschaft. Er wurde 1914 Soldat und verstarb 1918. Seine drei Kinder bekamen einen Vormund.  Die Witwe verpachtete die Gastwirtschaft mit den auf dem Haselhop liegenden Ländereien an Otto Fehlhaber. Fehlhaber war ein tüchtiger Gastwirt, der wirtschaftlich gut vernetzt war und viele Touristen nach Amelinghausen geholt hat, was für die  anderen Gastwirte auch von Vorteil war. Er hatte auch sonntags den Ausschank in der Privatbadeanstalt von Arthur Joost.
1938 übernahm  Herbert Studtmann den väterlichen Betrieb, den er nur zwei Jahre führen konnte. Er wurde 1940 Soldat und ist Ende 1944 in Rumänien vermisst.  Seine Frau Helene - eine sehr gute Köchin- hat das Anwesen mit Schulden übernommen. Sie war mit der Leitung der Gastwirtschaft und des landwirtschaftlichen Betriebes überfordert. Mit ihren „Geschäftsführern“  hatte sie kein Glück, und die Schulden nahmen zu.  Als ihre Tochter 1961 mit 21 Jahren den Betrieb übernahm, ging es weiterhin finanziell bergab, so dass  der Betrieb nach einem Jahr verpachtet wurde und die Schulden, die erheblich angestiegen waren, durch den Verkauf von Bauplätzen auf dem Haselhop getilgt werden konnten.
Durch  die Beatles  wurde 1963 auch Amelinghausen vom  Disco-Fieber infiziert. Die Pächterin stellte im Gastraum eine Musikbox auf, die für Tanzmusik sorgte.  Nun konnte ordentlich getanzt werden. 1976  ersteigerte Reinhard Sonn die Gastwirtschaft und betrieb die „Discothek“ bis 1986. Danach wurde die Gemeinde Amelinghausen Besitzerin der ehemaligen Gastwirtschaft Studtmann. Möge der Geist der schwungvollen Disco-Musik sich in den Beinen des Personals  weiterhin positiv bemerkbar machen und für eine angenehme  Arbeitsatmosphäre sorgen.